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Wie könnte ein modernes Urheberrecht aussehen? Ein Diskussionsvorschlag.

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Urheberrecht im Wandel (Foto: opensourceway; Quelle: Flickr, CC BY SA 2.0)

Urheberrecht im Wandel (Foto: opensourceway; Quelle: Flickr, CC BY SA 2.0)

Die Diskussion um das Urheberrecht kommt nicht von der Stelle und das, obwohl die Debatte zur dringend notwendigen Modernisierung der entsprechenden Gesetze zweifellos in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wie könnte ein modernes Urheberrecht aussehen? Ein Diskussionsvorschlag.

Auf der einen Seite steht mit ACTA ein internationales Abkommen, das weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt wurde. Auf der anderen Seite steht ACTA in der Kritik mehrerer zehntausend Menschen, die bei Minusgraden gegen ACTA auf die Straße gehen. An ACTA entzündet sich aktuell die Diskussion um das Urheberrecht. Wechselseitig bezeichnen sich Rechteverwerter und Nutzer als Bande krimineller Raubkopierer oder als Contentmafia.

Im Folgenden soll ein Diskussionsvorschlag mit dem Ziel eines bestmöglichen Interessensausgleichs skizziert werden. Dieser soll sich zum einen an aktuellen Forschungsergebnissen orientieren und zum anderen die Alltagsrealität der Bürger berücksichtigen.

1. Kürzere Schutzfristen
Warum wird das Urheberrecht überhaupt zeitlich beschränkt? Weil Kultur, weil Kunst und Wissen immer auf Vorhergehendem aufbauen. Wer die Urheber von gestern mehr als notwendig schützt, benachteiligt die Urheber von heute und morgen und damit die gesamte Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welche Schutzdauer wäre optimal?

In Deutschland gilt die Schutzfrist des Urheberrechts bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, doch selbst hier gibt es Ausnahmen, die eine Verlängerung zulassen. Einige Studien kommen aber zu dem Schluss, dass eine Schutzfrist von ungefähr 15 Jahren optimal ist (siehe etwa Some Theory And Empirics Of Optimal Copyright, PDF). Die Fristen für neue Werke sollten also auf maximal 15 Jahre beschränkt sein.

Ich würde auch noch einen Schritt weitergehen und eine erste Grundfrist von zwei Jahren nach Erstveröffentlichung vergeben. In dieser Zeit werden neue Werke regelmäßig aktiv vermarktet und Urheber und Verwerter wären geschützt. Danach könnte die Schutzfrist von Jahr zu Jahr verlängerbar sein, bis die 15 Jahre erreicht sind. So wird verhindert, dass geschützte Werke verwaisen, wie es bisher oft der Fall ist.

2. Weg vom automatischen, umfassenden Urheberrechtsschutz:
Opt-in statt Opt-out

Wir schaffen als Privatpersonen mit unseren Digitalkameras, Smartphones und Rechnern und unserer Nutzung von Plattformen wie YouTube oder Flickr ständig und eher unabsichtlich urheberrechtlich geschützte Werke. Warum sollten wir aber unbedingt Rechte halten (müssen), die wir weder wollen, bzw. von denen viele überhaupt nichts wissen? Und warum sollten wir diese Rechte halten, wenn wir gleichzeitig jedes Mal gegen diese Rechte von Freunden verstoßen, wenn wir deren Inhalte teilen?

Im 19. Jahrhundert mag ein Automatismus vertretbar gewesen sein, heute ist ein Opt-in für gewisse Rechte sinnvoller: Jemand, der sein Foto auf Flickr hochlädt, erhält nicht automatisch ein allumfassendes Urheberrecht an diesem Foto. Nur wer es ausdrücklich will, erhält exklusive Verwertungsrechte. Alle übrigen privaten Urheber erhalten in der Grundeinstellung nur das Recht auf Namensnennung.

Wenn ich also mein Werk geschützt sehen will, weil ich damit Geld verdienen möchte, muss ich mein Werk bei einer zentralen Instanz dafür registrieren (Das Copyright in den USA war so aufgebaut, bis es in den 1970er Jahren auf Druck von Konzernen wie Disney geändert wurde).

Immerhin gibt es mit den Creative-Commons-Lizenzen bereits einen brauchbaren Ansatz, der es schon heute Urhebern ermöglicht, eine Lizenz gezielt nach den eigenen Bedürfnissen auszuwählen.

3. Unterscheidung zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung

Kommen wir von der Urheber- zur Nutzerseite. Soll der Urheber die nicht-kommerzielle Nutzung seines Werkes kontrollieren können? Wenn ja, warum? Und zu welchen gesellschaftlichen Kosten wäre das umsetzbar/durchsetzbar?

Die ökonomische Notwendigkeit für die umfassende Kontrolle müsste noch näher untersucht werden, denn die Legalisierung des nicht-kommerziellen Verbreitens von Nutzer zu Nutzer – über Peer-to-Peer (P2P) also -, würde auch zu einer noch stärkeren Verschiebung der Einkommensströme führen. Diverse Studien, die den Anstieg der Gesamteinnahmen von Film- und Musikbranche in den letzten Jahren aufschlüsseln (eine aktuelle Studie findet man hier, eine weitere Übersicht hier), legen allerdings nahe, dass die signifikanten Einnahmenzuwächse nicht aus den (trotzdem steigenden) Dateiverkäufen kommen, die unter der Legalisierung logischerweise am stärksten leiden würden.

Diese Betrachtungen betroffener Branchen als Ganzes legen nahe, dass wir die massenhafte unkommerzielle Nutzung von Werken im Netz nicht wie bisher verbieten und unnachgiebig verfolgen müssen. Eine Rechtfertigung zur Kriminalisierung einer ganzen Generation oder gar eine Begründung für die Einschränkung von Grundrechten im Netz ist daher nicht gegeben. Deswegen ist eine Legalisierung jeglicher nichtkommerzieller Nutzung sinnvoll.

Fazit:
Sind diese und ähnliche Vorschläge für ein modernes Urheberrecht umsetzbar? Nicht in absehbarer Zeit, denn dafür sind die Fronten derzeit zu verhärtet und ein Gesprächsprozess hat noch nicht einmal begonnen. Zudem gibt es viele Überschneidungen zu anderen Rechtsgebieten (z.B. Markenrecht und Patentrecht), die mit berücksichtigt werden müßten. Es handelt sich hier wie gesagt um einen Diskussionsvorschlag, um überhaupt einmal ins Gespräch zu kommen.

Denn ein Problem mit internationalen Abkommen wie ACTA und das unter ähnlichen Umständen ausgehandelte TRIPS-Abkommen von 1994 ist, dass diese fast ausschließlich unter Beteiligung der Rechteverwerter, aber ohne Einbeziehung der eigentlichen Urheber und Nutzer ausgehandelt wurden. Und dass selbst die Parlamente unzureichend mit den Themen befasst waren. Dass muss sich jetzt ändern und zwar schnell.

Eine Übersichtsseite zur Urheberrechtsdebatte, mit weiteren Informationen und Links, findet sich hier.

(Das ZDF ist für den Inhalt externer Internetseiten nicht verantwortlich; der Beitrag gibt die Meinung des Autoren wieder)


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